Am Start mit den besten Supporters der Welt
Nach etlichen Wochen und Monaten der umfangreichen Vorbereitung war es also soweit und unser Flugzeug landete in der griechischen Hauptstadt. Nachdem noch der Leihwagen abgeholt wurde, konnten wir am Mittwoch früh um 3:00 im Hotel der deutschen Athleten einchecken. Zu diesem Zeitpunkt waren es noch genau 52 Stunden bis zum Startschuss der 31. Auflage des Spartathlons. Genug Zeit also, um noch alle organisatorischen und logistischen Aufgaben zu erledigen. Gerade hinsichtlich der Betreuung galt es im Vorfeld alles möglichst detailgenau zu planen. Während ich es im 24-h-Lauf gewohnt bin, jede Runde die Verpflegung von meiner Betreuung gereicht zu bekommen, war der persönliche Support auf den 246 km von Athen nach Sparta nur an ausgewählten Checkpoints zulässig. Allerdings hat man die Möglichkeit, eigene Verpflegung im Vorfeld an die jeweiligen Checkpoints bringen zu lassen. Dementsprechend wurde in unserem Hotelzimmer Tee gekocht und Vitargo angerührt was das Zeug hält, was auch zu einigen spontanen Putzeinlagen führte. Am Wettkampftag klingelte dann schon zur unchristlichen Zeit von 4:15 Uhr der Wecker, da um 6:00 Uhr schon die Busse zur Akropolis starten sollten. Spätestens auf der Fahrt zu diesem Startpunkt war die Anspannung wirklich riesengroß und insbesondere vor der Mittagshitze hatte ich einen Heidenrespekt. Dort angekommen, erfuhr ich dann von anderen Läufern, dass es meine beiden Betreuer Nicole und Sascha wohl nicht pünktlich zum Start schaffen werden, da der riesige Berg an Koffern der Läufer ausgerechnet vor ihrem Auto gelagert wurde. Glücklicherweise wurde das Gepäck aber nur sehr kurzfristig dort gelagert, da der LKW, der das Gepäck der Athleten nach Sparta fahren sollte, schon bereit stand. Wirklich Schwein gehabt – das hätte hier in Griechenland auch ganz anders ablaufen können. Nach einigen Fotos vor der Akropolis wurden wir um 7:00 auf unseren langen Weg geschickt. Es dauerte keine zwei Kilometer, bis es dann auch schon die ersten Kuriositäten gab, indem plötzlich alle kreuz und quer liefen. Anscheinend wurde die Spitze des Rennens falsch geführt und hatte die Abbiegung nach links verpasst. Nach kurzfristigem Durcheinander waren aber wieder alle auf der richtigen Strecke. Das nächste Chaos folgte aber gleich umgehend, da sich etwa 500 Meter später die Bahnschranke schloss. Dieser ungeplante Halt dürfte mich aber nicht mehr als eine halbe Minute gekostet haben. Die ersten 20 km waren sehr unattraktiv, da es die meiste Zeit entlang von stark befahrenen Straßen ging und der Lärm ziemlich nervte. Taktisch war es nicht ganz einfach die richtige Pace zu finden und so habe ich es in den ersten zwei Stunden doch an Vorsichtigkeit fast ein wenig übertrieben.
Entlang der Küstenstraße nach Korinth
Erst an der Küstenstraße löste ich ein wenig die Zügel und lief bis auf die Anstiege meist ein Tempo von etwa 5:15 Min./km. Auf den ersten 80 km verlief die Zeit wie im Fluge und ich kam viel besser als gedacht mit den Temperaturen zurecht. Ab Korinth, welches ich als elfter nach 7:11 Stunden erreichte, war dann etwa alle 10-15 km privater Support zulässig. So gönnte ich mir in Korinth erstmalig eine kleine Pause von etwa einer halben Minute in der ein alkoholfreies Bier zur Feier des Tages vernichtet wurde. Während bis hierher alles optimal lief, bahnte sich jetzt aber doch eine echte Krise an. Da ich eigentlich kein guter Hitzeläufer bin, habe ich schon deutlich früher mit Problemen gerechnet, doch jetzt galt es, sich den Problemen zu stellen. Während solcher Phasen ist es oft schwierig, noch an das Ziel zu glauben. Hier hat mir jedoch die Erfahrung von Steenbergen geholfen, um weiterhin den Kampf anzunehmen. Im Laufe der Zeit brach dann auch die von mir lang herbeigesehnte Dämmerung ein und so fühlte ich mich bei deutlich kühleren Temperaturen um einiges besser. Außerdem finde ich den Teil vor dem Sangaspass am stimmungsvollsten vom ganzen Lauf. Doch ausgerechnet hier hatte ich dann eine kleine Schrecksekunde zu überstehen: Da die Straße gut zu laufen war und der Mond hell genug schien, schaltete ich die Stirnlampe für einige Minuten aus, als mir plötzlich mit tobendem Gebell ein größerer Hund mit Karacho in die Seite reinrannte. Eigentlich möchte ich ja von mir behaupten, dass ich sehr gut mit Hunden umgehen kann, doch in dem Moment, habe ich natürlich schon mit dem Schlimmsten gerechnet.
Kultur am Wegesrand
Als heimliches Ziel habe ich mir die Verbesserung des deutschen Spartathlon-Rekordes vorgenommen, wozu ich eine Gesamtzeit von 24:20 Stunden hätte laufen müssen. Vor dem Lauf habe ich mir für jeden Checkpoint die Zeit ausgerechnet, zu der ich diesen passieren müsste, um exakt eine Zeit von 23:00 Stunden zu erreichen. Dementsprechend hatte ich rein fiktiv einen Puffer von 1:20 Stunden „Rückstand“ zur Verfügung. Korinth hätte ich z. B. laut 23-h-Tempo nach 7:29 h erreichen müssen, da ich dort aber schon nach 7:11 h ankam, hatte ich quasi einen „Vorsprung“ von 18 Minuten. Am Fuße des Sangaspasses betrug mein „Rückstand“ knapp zehn Minuten, wodurch mein Ziel noch absolut realistisch war, da ich ja so noch einen Puffer von etwa 1:10 h übrig hatte. Allerdings war klar, dass sich die Zeit im Passanstieg ordentlich summieren wird.
Schatten gab es leider keinen...
Nichtsdestotrotz kam ich aber sehr gut über den Sangas. Bis auf eine kurze Pause am Checkpoint konnte ich die Asphaltstraße zur Base of Mountain komplett durchlaufen. Auf den beiden Kilometern im Geröll war dann zwar fast nur noch Gehen angesagt, doch auch da kam ich verhältnismäßig zügig voran. Der Abstieg im Dunkeln hat es auch ganz gut in sich, doch hier hielt sich der Zeitverlust in Grenzen. Endlich wieder in der Ebene angekommen, war ich völlig überrascht, plötzlich an einem der Checkpoints den vor mir auf Platz drei liegenden Ivan Cudin einzuholen. Ivan war im Abstieg vom Sangas zu Fall gekommen, so dass er seinen Vorsprung von etwa 25 Minuten verlor. In Nestani angekommen, beschlossen wir nach einer kurzen Sitzpause gemeinsam loszulaufen. Ivan war allerdings schon sichtlich angeschlagen, so dass er Tempo rausnahm und ich alleine nach Alea Tegea weiterlief. Etwa 60 km vor dem Ziel waren meine angepeilten 24:20 Stunden immer noch im Bereich des Möglichen. Allerdings war ich jetzt doch schon ziemlich angeschlagen und hätte mich am allerliebsten einfach nur irgendwo hingelegt, was natürlich nicht in Frage kam. Nach etwa 200 gelaufenen Kilometern erfuhr ich, dass Jan-Albert Lantink das Rennen beendet hat, wodurch ich nun auf den zweiten Platz vorgerückt bin. Auf Grund meiner Kraftlosigkeit und der Tatsache, dass ich eine Stunde Vorsprung auf den Drittplatzierten Stu bzw. eine Stunde Rückstand auf den Führenden Oliveira hatte, erlag ich doch mehr und mehr der Verlockung von Sitzpausen.
Endlich im Ziel!
Der Weg ins Ziel zog sich jetzt wirklich wie Kaugummi und so konnte ich es kaum mehr erwarten, endlich Sparta zu erreichen. Die Zeit war jetzt schon ziemlich hinüber, so dass ich einfach nur noch ankommen wollte. Den zweiten Platz hatte ich ja eh sicher. Sicher? Von wegen sicher! Etwa fünf Kilometer vor dem Ziel wurde mir mitgeteilt, dass die so wörtlich „Anderen“ nicht mehr weit hinter mir sind. Eigentlich wusste ich, dass diese Info nicht stimmen konnte, doch da ich mir den zweiten Platz jetzt wirklich nicht mehr nehmen lassen wollte, lief ich jetzt nochmal ziemlich am Anschlag, was sogar überraschend gut ging. Letztendlich war das wohl wirklich eine Falschmeldung, da der Abstand noch ca. eine halbe Stunde betrug. Wenn ich an den Zieleinlauf denke, bekomme ich auch heute vier Tage nach dem Lauf noch Gänsehaut. Schaut Euch dazu einfach mal das Video unten an.
Feierliche Zeremonie in Athen
Auch wenn die Zielzeit 25:29:54 Stunden von der Wertigkeit sicherlich nicht ganz an meine Leistungen von ca. 260 km bei den beiden WMs rankommt, ist es schon wirklich beeindruckend, welch große Begeisterung einem als Zweitplatzierter beim Spartathlon zukommt… echt krass! Mein Dank und meine Hochachtung gebührt meinen beiden Betreuern! Meine Freundin Nicole und mein Bruder Sascha haben mich hervorragend unterstützt. Gerade bei solch einem Distanzlauf ist der Nutzen von einer gut funktionierenden Betreuung gar nicht hoch genug einzuschätzen. Tausend Dank auch an dieser Stelle!
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