24h zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Irgendwie ist 2021 schon ein echt komisches Laufjahr. Gut, das war coronabedingt in 2020 auch schon der Fall, aber dieses Jahr war das mit dem Hin und Her in Sachen Wettkampfteilnahmen schon total untypisch. Als ausgewiesener Wenigstarter habe ich ja eigentlich immer einen genauen Plan, wo ich starten werde. Dieses Jahr sah es lange Zeit so aus, als würde es gar keine Rennen geben. Kurzfristig wurde dann die DUV-DM für den 3. Juli angesetzt. Da die LG Würzburg mich gerne im Hinblick auf die Mannschaftswertung mitdabeihaben wollte, war klar, dass ich auch mal wieder an der Startlinie eines 24h-Laufs stehen werde. Im Mai 2018 habe ich ja meinen Rücktritt aus dem 24h-Nationalteam beschlossen und dabei aber auch darauf verwiesen, dass man mich sicherlich immer mal wieder bei einer 24h-DM sehen wird. Drei Jahre lang habe ich erstmal wirklich eine Komplettpause von der „Schweinedisziplin“ 24h-Lauf gebraucht. An vergangenen Kilometerleistungen wollte ich mich diesmal sicher nicht messen lassen, sondern mein Ziel für diesen 24h-Lauf war ein grundsolides Rennen zu absolvieren.
Meine Vorbereitung auf den Lauf war natürlich nicht mit früheren Zeiten zu vergleichen. Bis auf wenige Spitzen lagen die Umfänge schon eher im überschaubaren Bereich. Aber immerhin – die langen Läufe habe ich durchgeführt und auch das Laufen bei warmen Temperaturen konnte ich trainieren. Die Anpassung des Körpers an die Hitze war wichtig, denn die Wahrscheinlichkeit, dass es Anfang Juli in der Südsteiermark (coronabedingt wurden die DM in Österreich ausgetragen) warm sein wird, war ja nicht so gering. Was mir jedoch gefehlt hat, waren aber ganz klar die Gesamtumfänge. Das lag zum Einen am geringen Zeitbudget und zum Anderen auch daran, dass ich seit Anfang März (seitdem meine Tochter in die Kita geht) immer wieder durch Erkältungen ausgebremst wurde. In den allermeisten Fällen war das nichts Gravierendes, aber halt doch so, dass einige Pausentage hermussten. Ja… und so kam es wie es kommen musste, mitten in der Taperingphase hat mir meine kleine Tochter Halsweh aus der Kita „mit nach Hause gebracht“. Nun galt es alles daran zu setzen, möglichst schnell den Mist wieder loszuwerden. Ingwertee, Thymiantee, volles Programm Vitamine, Erkältungsbad – alles wurde unternommen, um rechtzeitig fit zu werden. Selbst ein Tag vor dem Start war ich mir noch nicht sicher, ob ich starten kann. Wahrscheinlich bin ich meinen Teamkollegen in unserer Unterkunft mit meinen Zweifeln schon ganz schön auf den Zeiger gegangen. Freitag Nachmittag waren die Symptome glücklicherweise jedoch so gut wie weg, so dass ich mich für den Start entschied. Die Vorzeichen waren also alles andere als optimal.
Der Lauf:
Morgens um 10:00 Uhr wurde das Teilnehmerfeld auf die angenehm zu laufende Strecke geschickt. Mir hat insbesondere auch die Streckenführung durch die Ortschaft sehr gut gefallen. In meinem Ultralauf-Leben bin ich auch schon 24h-Läufe auf völlig abgelegenen und isolierten Gelände gelaufen. Das ist dann doch irgendwie recht trostlos, da ist es mir deutlich lieber, wenn an der Strecke Musik läuft und die Starter der Parallelveranstaltungen an einem vorbeisausen. Die ersten drei Stunden waren schon von Zweifeln geprägt, ob ich nach der kleinen Erkältung körperlich wirklich schon wieder fit für so einen langen Lauf bin. Je mehr Zeit verging, desto sicherer fühlte ich mich jedoch. Durch mein bewusst langsam gewähltes Lauftempo von knapp 5:40 min/km fühlte sich das Laufen auch recht leicht an. Durch unsere beiden Teambetreuer Christoph und Paul lief die Verpflegung auch sehr gut und ich hatte das Gefühl alles im Griff zu haben. Erstaunlich gut kam ich insbesondere mit den warmen Temperaturen zurecht. Gefühlt hätte ich zwar ganze Fässer trinken können, aber das Laufen bei der Hitze war wirklich erträglich. Wie wichtig da eine gute Anpassung ist, weiß ich spätestens seit meinen Spartathlon-Teilnahmen. Der Fokus in den ersten acht Stunden lag also auf gleichmäßigem Laufen, guter Versorgung und regelmäßigem Kühlen von außen.
Im ersten Drittel von so einem 24h-Lauf ist das Laufen ja noch nicht so wirklich fordernd – zumindest dann, wenn man es vernünftig angeht. Das hat also noch nicht wirklich viel auszusagen. Auch wenn ich immer noch recht konstante Rundenzeiten lief, spürte ich jedoch schon in den Abendstunden, dass sich der Trainingsrückstand bemerkbar macht und es zäh wurde. Gut, wirklich locker wäre nach dem stundenlangen Laufen in der Hitze auch etwas verwunderlich, aber da ich mir ja doch ein ganz gutes Körpergefühl angeeignet habe über die Jahre, konnte ich es schon zu dem Zeitpunkt ganz gut einordnen. Vor allem in Anbetracht der doch sehr vorsichtigen Anfangs-Pace wäre mir ein wenig mehr Lockerheit recht gewesen. An der Spitze des Rennens mussten die Führenden für ihr mutiges Anfangstempo bezahlen. So hatte ich irgendwann im Laufe der Nacht, die Führung in der Wertung der Deutschen Meisterschaft übernommen. Nichtsdestotrotz wäre mir eine schlechtere Platzierung, dafür aber mehr Energie im Tank zu dem Zeitpunkt lieber gewesen. Mir war jedenfalls klar, dass das noch ganz lange gute zehn Stunden werden. Meine Hoffnung war jedoch, mit meinem Erfahrungswissen aus gut dreißig 24h-Läufen irgendwie über die Runden zu kommen und die körperlichen Defizite zu kompensieren. Durch die erstklassige Betreuung war ich über meinen Vorsprung auf den Zweitplatzierten Martin Armenat immer gut informiert. Wir lagen sehr lange in der gleichen Gesamtrunde und mein Vorsprung war mit meist weniger als drei Minuten nahezu nicht als solcher zu bezeichnen, in Anbetracht der langen Zeitdauer. Nichtsdestotrotz habe ich versucht die Führungsposition möglichst lange zu verteidigen, in der Hoffnung, dass ich mich über die Dauer wieder etwas erhole. Gut fünf Stunden vor Ablauf der Zeit war es dann aber so weit und der Führungswechsel erfolgte. Der Zeiger meines imaginären Energietanks stand nun auch wirklich im dunkelroten Bereich. So war ich gezwungen, eine Pause einzulegen und ja, so ehrlich muss man dann auch sein, wenn es nur noch um ein halbwegs vernünftiges Zu-Ende-bringen geht fightet man dann halt doch nicht um jeden Meter, wie man das bei DEM Rennen machen würde. Mein Vereinskollege Marko machte mich dann irgendwann darauf aufmerksam, dass ich immer noch auf Platz 2 liege, also begab ich mich wieder auf die Strecke, so richtig vom Hocker hat mich das aber alles nicht gerissen. Deutlich interessanter empfand ich die Aussicht mit dem Team in der Mannschaftswertung einen Erfolg zu erzielen. Diesbezüglich hat sich das Rennen mehr und mehr auf ein spannendes Finale hin entwickelt.
Die Mannschaftswertung ist immer ein recht unübersichtlicher Bewerb, da hier die Kilometerleistungen der besten drei Läufer der jeweiligen Teams zusammengezählt werden. Dementsprechend kann sich so ein Gesamtranking hier recht dynamisch verändern. Durch unsere Betreuer wussten wir jedoch, dass es wohl wirklich auf „Messers Schneide“ steht. Dementsprechend haben wir in der letzten Stunde nochmal versucht, mehr Druck zu machen. Für mich selbst war es eine überraschende Erfahrung, dass ich in den letzten Minuten auch nochmal eine Pace von etwa 4:00 min/km kurzzeitig laufen konnte. Allerdings muss man natürlich dazu sagen, dass ich ja zwischendurch auch mal für eine Weile des Rennens pausiert habe. Zum Glück hat sich unser Einsatz gelohnt und wir konnten denkbar knapp mit lediglich 800 Metern Vorsprung den Mannschaftstitel nach Würzburg holen. In der Einzelwertung der Deutschen Meisterschaft haben meine 218,2km sogar für Platz 2 gelangt, da im Coronajahr 2021 keine mit sonstigen Jahren vergleichbare Leistungsdichte bei der DM präsent war. So hatte der Lauf mit den beiden Medaillen doch so etwas wie ein Happy End, auch wenn 218 gelaufene Kilometer eigentlich nicht wirklich mein Anspruch sind. Am Ende des Tages muss ich das aber auch realistisch einordnen, denn mein Training im Vorfeld des Laufes war sicher nicht mit dem aus früheren Zeiten vergleichbar und hat dementsprechend auch kaum mehr als das erzielte Ergebnis hergegeben.
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