Okay, dass ich doch nochmal für das DLV-Nationalteam bei einer internationalen Meisterschaft starten werde, hätte ich nach meinem Abschied vom Team im Mai 2018 nicht wirklich gedacht. Aber manchmal muss man halt die Feste feiern wie sie fallen, wobei meine „Feier“ jetzt nicht ganz so meisterschaftswürdig gewesen war. Dazu kommen wir aber noch im Laufe des Wettkampfberichts.
Wie kam es überhaupt dazu, dass ich doch nochmal gestartet bin? Die letzten Jahre war ich ja nur noch auf nationaler Ebene im 24-h-Lauf unterwegs. Durch meinen Sieg bei der Deutschen Meisterschaft im Mai 2022 hatte ich aber mit meinen 254 gelaufenen Kilometern wieder die Nominierungsvoraussetzungen erfüllt. Da internationale Meisterschaften für mich aber kein Thema mehr waren und der Termin für die EM 2022 auch ungünstig für mich fiel, hatte ich nach kurzzeitiger Bedenkzeit
frühzeitig für selbige abgesagt. Dann kam der Deutsche Rekord im 12-h-Lauf Ende 2022 und so entstand die Idee, vielleicht doch nochmal im Team dabei zu sein, vor allem in Anbetracht dessen, dass ein Wintertermin bei mir für so etwas einfach viel besser ins Zeitmanagement passt. So hatte ich dann nach einem Gespräch mit Teamchef Ralf Weis mich wirklich final erst im August dann tatsächlich für eine Teilnahme entschieden.
Ein unbekanntes Pflaster ist Taiwan für mich nicht, da ich hier beim vom selben Veranstalter jährlich ausgetragenen Einladungslauf zu früheren Zeiten schon vier Mal dabei gewesen war. Von daher wusste ich auch was auf mich zukommt und, dass das Laufen bei der hohen Luftfeuchtigkeit nicht einfach wird. Die Unbekannte war stattdessen die Strecke, die im Rahmen der Weltmeisterschaft auf Grund der dementsprechenden Teilnehmer auf eine größere Runde verlegt werden musste. Nicht unbekannt dagegen war mir die tolle Gastfreundschaft der Menschen hier vor Ort. So wie ich das Land 2017 verlassen hatte, so freundlich habe ich es auch in 2023 wiedergefunden und so ergab sich auch das ein oder andere kurze Treffen mit Bekannten aus der damaligen Zeit.
Logischerweise war ich aber nicht nur zum Kontaktepflegen da, sondern in erster Linie, um ein entsprechendes Laufergebnis auf den Asphalt zu bringen. International hat sich mittlerweile vieles verändert, so dass ich die Ausgangssituation entsprechend realistisch eingeschätzt habe. Mein oberstes Ziel war es, eine brauchbare Leistung für die neben der Einzelwertung auch ausgetragene Teamwertung beizutragen. Auch wenn ich über die Sommermonate mit nur dosierten Umfängen unterwegs war, stimmten mich die letzten zehn Wochen der Vorbereitung dahingehend auch ganz positiv. Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat mich auch gelehrt, dass es mir nicht so gut bekommt, zu früh schon zu große Umfänge zu laufen. Gerade die Erfahrung vom Dezember 2022 hat mich diesbezüglich auch nochmal zusätzlich bestärkt. Die letzten beiden Trainingswochen vor dem Tapering mit je etwa 250 Wochenkilometern machten mir Hoffnung auf ein Ergebnis von idealerweise 250-260 Kilometern im Wettkampf.
So viel zur Vorgeschichte, nun zur Geschichte des Rennens. Diese ist jedoch relativ schnell erzählt, denn wie schon in der ersten Jahreshälfte hat es am 24-h-Wettkampftag leider überhaupt gar nicht funktioniert. Mein Plan war es, kontrolliert mit einer Pace von 5:15 bis 5:20 min/km ins Rennen zu starten. Eigentlich hatte ich mich allerdings von Beginn an überhaupt nicht richtig wohlgefühlt und nie wirklich ins Rennen gefunden. Am Vortag des Rennens hatte ich nochmal knapp 3 km mit ein paar Steigerungsläufen absolviert, da hat sich das ähnlich komisch angefühlt und auch meine Herzfrequenz war ein ganzes Stück höher als gewohnt. Dementsprechend hatte ich für das Rennen die Pulsmessung schon extra deaktiviert, um mich nicht von der Uhr verunsichern zu lassen. Zudem hatte ich auch schon in den ersten Stunden leichte Probleme mit meinem linken Fuß. Anhalten und den Schuhbändel lockerer binden, nach drei Runden doch wieder enger binden, um dann kurze Zeit später erneut zu lockern – all das ist schon ein Indiz dafür, dass ich nicht wirklich in den Lauf reingefunden hatte. Nichtsdestotrotz habe ich es in gewisser Weise auch genossen in dem ambitionierten Teilnehmerfeld unterwegs zu sein.
Man konnte das Rennen auch als Teilnehmer ganz gut beobachten, da es ein längeres Pendelstück zu absolvieren gab, wo man den Läufern jeweils entgegenkam. So kurzweilig wie das Pendelstück einerseits auch war, so unangenehm zu laufen war es doch anderseits. So hatte man auf dem Hinweg hier den vollen Gegenwind draufstehen, der hier unten direkt am Fluss doch ziemlich heftig wehte. Beim Rückweg kam man dafür dann in den Genuss, vom Rückenwind angeschoben zu werden. So ideal war dies jedoch auch nicht, denn so hatte man den Wind dann voll auf dem klatschnassen Rücken stehen, was sich doch recht unangenehm angefühlt hatte. Die hohe Luftfeuchtigkeit machte das ganze Unterfangen zusätzlich nicht einfacher und so kann man die Bedingungen bei der diesjährigen Weltmeisterschaft durchaus als anspruchsvoll bezeichnen. Das zeigt auch die hohe Aussteigerquote von Favoritinnen und Favoriten. Oftmals waren im übrigen Magenprobleme der Grund für das Scheitern. Und genau diese Magenprobleme sollten mir ebenfalls schon frühzeitig viel „Freude“ bereiten. Schon viel zu früh im Rennen begann mein Bauch nämlich gewaltig zu rebellieren und ließ mich in keinen echten Rhythmus finden. Über Stunden haben unser Betreuerteam und unser Teamarzt Holger (Danke hierfür!) versucht, mich irgendwie wieder aufzupäppeln, aber wir hatten die Probleme bestenfalls immer nur temporär in den Griff bekommen. Einher mit den Problemen ging eine große Erschöpfung und so wurden meine Rundenzeiten immer langsamer. Nach 14 Stunden war es mir dann leider auch nicht mehr möglich zu laufen und so musste ich leider ins Wandern übergehen. Auch mehrere Versuche wieder ins Laufen zurückzufinden scheiterten kläglich und so zog ich nach 14 Stunden die Reißleine und beendete das Rennen. In Anbetracht der noch zu absolvierenden Stunden und des bis dahin ja sowieso schon sehr durchwachsenen Zwischenergebnisses hatte es einfach keinen Sinn mehr gemacht.
Das Finishen um jeden Preis war zwar das, was ich mir im Vorfeld des Rennens fest auf die Fahne geschrieben hatte, da wir in der Mannschaftswertung bei den Männern lediglich zu dritt waren und so alle Athleten durchkommen mussten. Aber ganz ehrlich - mit wohl am Ende wohl nicht einmal 200 km hätte ich so oder so nichts beitragen können. Das tut mir leid, da der Teamspirit in den Tagen rund um den Wettkampf wirklich toll war und ich gerne meinen Anteil zu einem schönen Teamerfolg beigetragen hätte. Der Gedanke an die Teamwertung ist auch das, was am meisten an dem DNF nagt, denn wenn man schon einen der begehrten Plätze im Team ergattern kann, dann hat man ja schon in gewisser Weise auch eine Verantwortung dies mit einem Mehrwert für die Mannschaft zu bestätigen. Für mich selbst habe ich den Lauf jedoch eigentlich recht schnell abgehakt. Wohl auch, weil ich mir im Hinblick auf das Rennen selbst eigentlich nicht so wirklich etwas vorwerfen kann.
Damit hat es leider in 2023 überhaupt nicht über die 24-h-Distanz funktioniert. Ich bin dennoch dankbar für das kleine Comeback im Nationalteam. Der Weg dorthin mit der Qualifikation in 2022 und der Vorbereitung mit all ihren Höhen und Tiefen war ja dennoch erfüllend und ist das was bleibt, wenn man ergebnistechnisch am Ende auch mit leeren Händen dasteht. Das Prickeln rund um eine IAU-Meisterschaft doch noch einmal erleben zu dürfen war schön und tröstet zumindest ein klein wenig über die schonungslosen Zahlen in der Ergebnisliste hinweg.
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